Natürlich, es gibt sie – jene erfolgreichen Unternehmen und Organisationen, die scheinbar unkaputtbar sind. Sie haben eine Geschäftsidee realisiert, eine Marktnische besetzt und sich mit Engagement, Kompetenz, Beziehungen … und dem einen oder anderen Quäntchen Glück ein Umfeld geschaffen, aus dem sie nicht mehr wegzudenken sind. Wirklich?
Erfolgreiche Unternehmen segeln zwar mit dem Rückenwind bereits erbrachter Leistungen und gut gefüllte Kassen haben noch selten einem Unternehmen geschadet. Doch weder die unbändige Umsetzungskraft einer Pioniertruppe noch der Zauber, der allem Anfang innewohnt werden davon langfristig genährt. Führende Köpfe früherer Jahre gehen verloren, schalten einen Gang zurück, verlassen das Unternehmen: „Es ist nicht mehr, wie es mal war!“
Was aber kostet es tatsächlich, die Zukunft einer Erfolgsstory zu ermöglichen?
Loslassen von vermeintlichen Sicherheiten. Wer in einem dynamischen Marktumfeld punkten will, möge die eigenen Vorstellungen von Sicherheit warm einpacken und für die Zeit aufheben, in der Memoiren-Schreiben ansteht – sie helfen nicht weiter.
Ein Beispiel aus der Praxis: Der vertriebsverantwortliche Co-Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens ist ein brillanter Rhetoriker, hervorragender Netzwerker und Partytiger wie er im Buche steht. Seine Aufträge akquiriert er ganz nebenbei nach reichlichen kulinarischen Genüssen um 2 Uhr in der Früh bei einem edlen Tropfen. Wenige Jahre und eine Finanzkrise später hat sich das Karussell nur ein bisschen verschoben. Eine neue Generation von Entscheidungsträgern übernimmt langsam das Ruder, hat andere Gewohnheiten … funktioniert nach anderen Mustern. Aufträge gehen verloren, das Unternehmen – einst regionaler Fixstern in seiner Branche mit ausgezeichnetem Ruf steht vor der Aufgabe, sich neu zu erfinden.
Den Mut zu haben, in der Vergangenheit erfolgreiche Konzepte und Herangehensweisen kritisch zu hinterfragen und rechtzeitig angemessenere Alternativen auszutesten ist der erste Tribut, den die Zukunft fordert.
Mut, sich auf neue Begegnungen einzulassen. Das Verweilen im heimeligen Zirkel von Gleichgesinnten hilft nicht weiter. Es wird sich nur weiter entwickeln, wer sich aus veränderungsberuhigten Zonen hinauswagt und sich den winds of change stellt.
Eine der provokantesten und gleichzeitig produktivsten Interventionen bei der Entwicklung leistungsfähiger Organisationen ist nach wie vor die Frage danach, was der Welt fehlen würde, wenn es sie nicht mehr gäbe. Darauf eine tragfähige Antwort zu haben, die von den Mitarbeitenden verstanden, gelebt und authentisch mitgetragen wird ist ein Kapital von unschätzbarem Wert. Sich darauf zu verlassen, dass bleiben wird, was die letzten paar Jahrzehnte halt so war, hingegen eine waghalsige und – objektiv betrachtet – äußerst unvernünftige Hypothese.
Raus zu gehen aus der eigenen Subkultur und heimeligen ideologischen Reservaten, sich neuen Herausforderungen stellen und das Risiko auf sich zu nehmen, auf unangenehme Fragen vorläufig noch keine adäquate Antwort parat zu haben – das ist der zweite Tribut, den die Zukunft fordert.
Neue Ideen statt Stillstand. Auch in der nächsten Runde wieder mit dabei werden diejenigen sein, die darauf verzichten, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und sich Anpassungsleistungen an veränderte Rahmenbedingungen zum Höchstpreis abtrotzen zu lassen.
Der bekannte Satz des Sowjet-Reformers Michail Gorbatschow, wonach das Leben diejenigen bestrafe die zu spät kommen, hat nichts an Brisanz und Gültigkeit verloren – ganz im Gegenteil. Wo sich gesellschaftliche (Demografie), politische (Internationalisierung) und soziale (Individualisierung) Rahmenbedingungen rasch verändern, werden etablierte Systeme an und über den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gefordert.
Das rechtzeitige Überwinden der eigenen Trägheit – das sich selbst in Frage stellen bevor die Umstände dazu zwingen – das ist der dritte Tribut, den die Zukunft fordert.
Aufmerksamkeit – der Schlüssel zu Allem. Als wirkliche Stehaufmännchen und –weibchen dürften sich diejenigen erweisen, für die das Hinterfragen der eigenen Person und Arbeit und die laufende und unaufgeregte Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen zur lieben und vertrauten Gewohnheit geworden ist.
Bei allem Respekt für die brillante Arbeit der Zukunftsforschung – keine noch so kompetente Expertise kann uns heute einigermaßen verlässlich beschreiben, wie wir in 10 Jahren das Wohlergehen unserer Unternehmen, Organisationen und Teams sicherstellen. Wir können aber davon ausgehen: Es wird wohl ziemlich anders sein als heute. Vernünftige Ansätze werden mit Sicherheit bereits heute überall ausgebrütet – die Frage ist nur, ob sie in der operativen Hektik des Alltags schon gehört und nutzbar gemacht werden?
Diese Samen der Zukunft so früh und so konkret wie möglich zu erkennen – das ist der vierte Tribut, den die Zukunft von uns fordert.
Die Ohren davor zu verschließen – das kostet die Zukunft.
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